Montag, 3. Juni 2013

Keine Heiratsstrafe bei der AHV

Die Christliche Volkspartei der Schweiz (CVP) will mit einer Volksinitiative die «Heiratsstrafe» bei den Steuern und der AHV beseitigen. Nur: Während der Ehestand bei den Steuern tatsächlich nachteilig sein kann, führt er bei der AHV zu insgesamt besseren Leistungen. 

Wer heiratet, soll vom Staat nicht bestraft werden. Dies die Forderung der CVP, die mit ihrer Volksinitiative «für Ehe und Familie» die sogenannte Heiratsstrafe für Ehepaare bei der AHV und den Steuern beseitigen will. Das Anliegen dürfte in der Bevölkerung auf einigen Zuspruch stossen, wird es doch gemeinhin als Ärgernis empfunden, wenn Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren finanziell schlechter fahren. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative der CVP zur Annahme (NZZ 30. 5. 13). 

Allerdings will er sich nur auf die Steuern beschränken und die Sozialversicherungen ausklammern; dort brauche es keine Anpassungen zugunsten der Ehepaare, hält die Regierung fest. Vergleichsweise kleiner Teil Tatsächlich ist es mit der Diskriminierung der Ehepaare nicht so weit her, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Unbestritten ist, dass ein Teil der verheirateten Doppelverdiener noch immer tiefer in die Tasche greifen muss als ein gleich situiertes Konkubinatspaar. Allerdings handelt es sich mit rund 80 000 Paaren um einen vergleichsweise kleinen Teil der Zweiverdiener, die gegenüber ihrem unverheirateten Pendant benachteiligt sind. Zudem geht es einzig um die direkte Bundessteuer; in den Kantonen werden Verheiratete in aller Regel nicht stärker belastet. Auf welchem Weg der Bund die steuerliche Schlechterstellung ausräumen will, ist offen. 

Die CVP-Initiative schränkt die Handlungsmöglichkeiten insofern ein, als sie die gemeinschaftliche Veranlagung der Ehepaare fordert und die Individualbesteuerung, bei der jeder Ehegatte seine eigene Steuerrechnung einreicht, ausschliesst. Möglich wäre beispielsweise ein Splittingmodell, wie es zahlreiche Kantone kennen. Neben den Steuern nimmt das CVP-Begehren auch die Sozialversicherungen ins Visier. Die Initianten stossen sich daran, dass die Altersrente für Ehepaare plafoniert ist – auf das Anderthalbfache der maximalen AHV-Rente –, während unverheiratete Partner zwei Vollrenten erhalten. Konkret beläuft sich die Rente für Verheiratete auf maximal 3510 Franken pro Monat, während Konkubinatspaare mit bis zu 4680 Franken rechnen können. Schaut man sich die Situation der Verheirateten bei der AHV gesamthaft an, zeigt sich aber ein anderes Bild. Denn wer verheiratet ist, ist zwar bei der Rentenhöhe benachteiligt, profitiert aber gleichzeitig von einer ganzen Reihe von Absicherungen und Vorteilen, von denen die unverheirateten Paare ausgeschlossen sind: Witwen- und Witwerrente: Für Witwen sieht das geltende Recht eine grosszügige Lösung vor. So erhalten verheiratete Frauen mit Kindern (gleichgültig welchen Alters) oder über 45-jährige Frauen, die mindestens fünf Jahre verheiratet waren, beim Tod ihres Mannes eine Witwenrente. Der Höchstbetrag liegt bei 1872 Franken pro Monat. 

Bei Männern geht das Gesetz weniger weit. Sie erhalten nur dann eine Witwerrente, wenn sie unmündige Kinder haben. Darüber hinaus beziehen Witwen und Witwer auch aus der zweiten Säule des verstorbenen Partners Rentenleistungen. Konkubinatspaare können sich zwar ebenfalls begünstigen, aber nur, wenn die Pensionskasse Renten für Lebenspartner vorsieht. Zuschlag für Verwitwete: Stirbt der eine Gatte eines Rentnerehepaares, erhält der Hinterbliebene einen Zuschlag auf seine Altersrente im Umfang von 20 Prozent (bis zur Maximalrente). Befreiung von der Beitragszahlung: Ein nichterwerbstätiger Ehegatte ist von der AHV-Beitragspflicht entbunden, sofern der andere Gatte den doppelten Mindestbeitrag pro Jahr entrichtet (960 Franken). Bonus statt Strafe Die kurze Aufstellung zeigt: Der Vorwurf, dass Ehepaare bei der Altersvorsorge diskriminiert seien, trifft nicht zu, im Gegenteil. Gemäss den Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen stehen die Verheirateten bei den AHV-Leistungen besser da als die ledigen Paare. Der Plafonierung im Umfang von 2 Milliarden Franken stehen Leistungen von 2,8 Milliarden gegenüber, womit unter dem Strich 800 Millionen Franken zugunsten der Ehepaare resultieren (siehe Tabelle). Statt von «Heiratsstrafe» müsste man richtigerweise von «Heiratsbonus» sprechen. Was den AHV-Teil angeht, steht die CVP-Initiative also auf ziemlich wackligem Grund.

Quelle: NZZ 3.6.13
 
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