Montag, 14. Januar 2013

Entzückende Kurven

1.22 Franken pro Euro und mehr: Endlich kommen von der Währungsfront gute Nachrichten. Für die Nationalbank wird die Lage immer komfortabler. Hinter dem erstarkten Euro stehen mehrere Gründe.
   
Der «Risk-On»-Modus ist zurückgekehrt: Broker an der Frankfurter Börse. (Bild: Keystone)
 
Auf den Finanzmärkten kann es manchmal schnell gehen. Kaum zwei Wochen alt ist das Jahr 2013. Und bereits zeichnet sich eine Verschiebung im Währungsgefüge ab. Die helvetische Währung verliert im Vergleich zum Euro an Wert – und zwar rapide. Innerhalb der letzten vier Tage stieg der Eurokurs von rund 1.2090 auf gegen 1.2250 Franken (stand um 11 Uhr am Montagmorgen). Das hilft unter anderem der Schweizer Exportwirtschaft, deren Produkte für ausländische Käufer günstiger werden. Für sie ist die Einschätzung von CS-Währungsstratege Marcus Hettinger verheissungsvoll. Hettinger hält den aktuellen Anstieg keineswegs für ein Strohfeuer. Im Gegenteil, so der Ökonom zu Tagesanzeiger.ch/Newsnet: «Der Franken hat weiteres Abschwächungspotenzial.»

Wenn sie keine Luftsprünge machen, so dürften die Verantwortlichen bei der Nationalbank heute zumindest mit Genugtuung auf die Finanzbildschirme schauen. Seit September 2011 halten sie die Aufwertung des Frankens durch unlimitierte Interventionen beim Kurs von 1.20 in Schach. Der Job ist bereits seit August des letzten Jahres spürbar einfacher geworden, nun verbessert sich die Ausgangslage erneut. Heute Morgen veröffentlichte Zahlen zeigen, dass die Devisenreserven der SNB (SNBN 1070 2.10%) zuletzt sogar leicht gefallen sind (von 427,4 Milliarden Franken per Ende November auf 427,2 Milliarden per Ende Dezember). «Die stiere Schweizer Zentralbank geht ‹All In›»: Szenarien gigantischer Devisenverluste, wie sie von Wirtschaftsmedien wie dem «Wall Street Journal» nach wie vor heraufbeschworen werden, verlieren fürs Direktorium um Thomas Jordan zunehmend an Relevanz.

Die Schwächung des Frankens ist nicht auf innerschweizerische Entwicklungen zurückzuführen. Es ist die internationale Makrokonstellation, die der Nationalbank momentan in die Hände spielt. Zentral ist die optimistischere Einschätzung der Finanzmarktteilnehmer in Bezug auf die Eurozone, wie Marcus Hettinger sagt: «Der übertriebene Pessimismus hat sich abgeschwächt.» Die abnehmende Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone würde bedeuten, dass einer der zentralen Gründe wegfällt, der die Aufwertung des Frankens im Zuge der Krise ursprünglich ausgelöst hat. Auch, dass die USA ihre Fiskalklippe mehr oder weniger erfolgreich umschifft haben, trägt laut Hettinger zum aktuellen Optimismus bei. «Der Risikoappetit im Markt hat zugenommen», so der Währungsstratege der Credit Suisse.

Im Vergleich zur US-Währung stieg der Euro seit Donnerstag von 1.31 auf 1.33 Dollar. Ähnliche Bewegungen sind relativ zum britischen Pfund und zum Yen auszumachen. Auslöser dafür war eine Entscheidung, welche der Rat der Europäischen Zentralbank letzte Woche einstimmig gefällt hat. «Entgegen einzelner Erwartungen», so Hettinger, hat die EZB die Leitzinsen nicht gesenkt. Dies deutet zum einen darauf hin, dass auch innerhalb von Europas Notenbank wieder optimistischer in die Zukunft geblickt wird. Andererseits wird für Anleger das Investieren in der Eurozone dadurch attraktiver. Sinkende Renditen auf italienische oder spanische Anleihen zeigten über die letzten sechs Monate an, dass die Furcht vor dem Geldverlust in Europa bei Investoren abgenommen hat.

Aus der Schweiz gab das Seco am Freitag bekannt, dass die Preise 2012 um durchschnittlich 0,7 Prozent gesunken sind. Diese Preisdeflation war von Beobachtern nicht in diesem Ausmass erwartet worden. Wer zuletzt am Ansinnen der SNB zweifelte, die Untergrenze möglicherweise bald aufzuheben, sah sich erneut eines Besseren belehrt. Sinkende Preise sind ein wichtiger Grund für die Nationalbank, an der Schwelle von 1.20 Franken zum Euro festzuhalten», sagt Marcus Hettinger. Weil sie mit hohen Risiken verbunden wäre, bleibt eine Anhebung der Grenze laut dem Währungsexperten aber kein Thema. Den fairen Wert des Euro sieht die Credit Suisse bei 1.35 Franken; im Ausblick bis Ende 2013 prognostiziert sie einen Anstieg des Euro auf 1.24 Franken.

Praktisch den ganzen Frühsommer 2012 über hatte der Euro mit Kursen von 1.2010 Franken minim über der Untergrenze geklebt. «Eine Rückkehr zu diesen Werten ist praktisch ausgeschlossen», schätzt Hettinger die Aussichten für 2013 ein. Dennoch bleibt der Stratege vorsichtig, was die weitere Entwicklung betrifft. Schlecht verlaufende Bondauktionen von Krisenländern oder ein erneutes Tauziehen um die Fiskalklippe in den USA könnten Ängste zurück in den Markt bringen, meint Hettinger. So oder so scheint 2013 eine gewisse Beruhigung an der Währungsfront zu bringen: Während die SNB beim aktuellen Kurs von 1.22 behutsam den Abbau ihres Devisenportfolios ins Auge fassen kann, darf die Schweizer Wirtschaft wieder mit einer gewissen Belebung aus dem Euroraum rechnen. 

Quelle: Tages-Anzeiger

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