Die heutigen Regierungsräte bestreiten eine Mitverantwortung am
Milliardendebakel der kantonalen Vorsorgekasse. Die Fakten lassen
Zweifel aufkommen.
Die Zürcher Kantonsregierung nahm Stellung: Markus Kägi (SVP - Regierungspräsident und Baudirektor) und Ursula Gut (FDP - Finanzdirektorin) weisen die Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Korruptionsfall BVK zurück (Bild Keystone).
Am Montag diskutiert der Kantonsrat über den Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Korruptionsfall BVK,
der Personalvorsorgeeinrichtung des Kantons Zürich. Streitpunkt ist, ob
der Korruptionsfall wirklich zu einem Milliardenschaden geführt hat und
ob der Regierungsrat damit eine Mitverantwortung für den schlechten
finanziellen Zustand der kantonalen Pensionskasse hat. Die heutigen
Regierungsräte, allen voran die Finanzdirektorin Ursula Gut, bestreiten
dies vehement.
Grundlage für den PUK-Bericht ist ein Gutachten des
Pensionskassenexperten von PPCmetrics, der von einem Schaden von 0,5
bis 1,5 Milliarden Franken spricht. Der zentrale Vorwurf ist, dass die
Kasse mit regierungsrätlicher Deckung eine viel zu risikoreiche
Strategie fuhr in der Hoffnung, die ungenügende Finanzierung mit
Börsengewinnen auszugleichen. Begründet wird dieser Vorwurf mit einem
Gutachten von Ecofin, das am 13. Dezember 2004 zum Schluss kam:
Ausgehend von den üblichen Renditen, «müsste die BVK
eine zu aggressive Anlagestrategie verfolgen», wenn sie sich «einzig
über die Anlageerträge» sanieren wolle.
Gemessen
an der Risikofähigkeit der Kasse hielt Ecofin eine Aktienquote von 25
Prozent für vertretbar und forderte eine rasche Sanierung der Kasse,
ansonsten gebe es eine «grosse Gefahr einer Verschlechterung der
finanziellen Lage». Gemacht wurde aber das Gegenteil: Die Quote von
Aktien und aktienartigen Risikopapieren wurde heraufgefahren, bis sie
2007 bei 44,5 Prozent lag. Teilweise wurden die Risikopapiere in anderen
Anlagekategorien versteckt (siehe Tabelle).
Dass das eigentlich
nicht ging, war allen bekannt, schreiben doch die Revisoren in ihrem
Jahresbericht 2004 Folgendes: «Aufgrund der Unterdeckung ist die
Risikofähigkeit zwar ungenügend, aber es besteht eine Staatsgarantie für
die BVK.» Als die Arbeitnehmervertreter Arialdo Pulcini und Markus
Schneider im Anlageausschuss der BVK dies Ende 2007 monierten, wurden
sie von Regierungsrätin Gut gemassregelt.
Bis
heute wird um die zu hohe Risikoquote gestritten, trotz des
PUK-Berichts und des Gutachtens von PPCmetrics. So schrieb Guts
Pressesprecher Roger Keller nach einem Interview des «Tages-Anzeigers»
mit Arialdo Pulcini: «Diese Aussage ist eindeutig falsch und muss
korrigiert werden, weil sie sich nicht auf aktienartige Anlagen bezog.
Das erwarten wir, mitsamt einer Erwähnung der richtigen Zahl von 28,7
Prozent und einem Hinweis, dass die dazugehörige Anschuldigung falsch
ist.» Pulcini spricht von mangelnder Einsicht.
Dass man eine
risikoreiche Anlagestrategie fuhr, hatte für den damaligen Anlagechef
Daniel Gloor den Vorteil, dass er seinen Freunden Aufträge zuhalten
konnte. So ging etwa die Verwaltung der Aktien an die Argus Finanz von
Alfred Castelberg. Da wurde unter Verletzung des Anlagereglements auf
eine Offerte verzichtet, trotz eines Startvolumens von 1,8 Milliarden
Franken. Es gab keinen bewilligten Antrag an den Regierungsrat. Auch das
war eine Verletzung des Anlagereglements. Es gab eine mündliche
Vereinbarung zur Entschädigung – eindeutig praxiswidrig und nicht
entsprechend dem Anlagereglement, sagt PPCmetrics. Es wurde aktiv
gehandelt statt passiv verwaltet – auch eine Verletzung des
Anlagereglements, aber gut für Castelberg, weil er so mehr Courtagen
verdiente. Es gab Retrozessionen, die nicht marktkonform waren, die
Handelskommissionen waren unverhältnismässig hoch, und das Ergebnis war
schlecht: Die Differenz zum Benchmark 2003 bis 2010 liegt bei 70
Millionen Franken.
Ähnliches
passierte bei der Vergabe des Hedgefonds-Mandats an die DL
Investmentpartners. Es ging um Investitionen von 1,7 Milliarden Franken.
Das Auswahlverfahren war nicht protokolliert, es gab keine Bewilligung
der Finanzdirektion – wiederum eine Verletzung des Anlagereglements.
Angefangen hat dieses Mandat noch unter Regierungsrat Christian Huber,
der davon wusste, aber nichts unternahm, obwohl das Anlagereglement
verletzt wurde.
Christian Huber hatte nach einer Sitzung vom 22.
April 2005 auch Kenntnis von der Investition in den Tradex-Fonds, ein
äusserst risikoreicher Hedgefonds, der auf null abgeschrieben werden
musste. Nachgewiesen ist, dass für die Vergabe dieser und anderer
Aufträge 1,7 Millionen Franken Bestechungsgelder flossen. Aber das ist
nicht alles. Die Ergebnisse der Investitionen in Hedgefonds und
Private-Equity-Anlagen waren sehr schlecht. Man verlor Hunderte von
Millionen Franken. Die Verluste waren viel grösser als bei
vergleichbaren Kassen. Ob und wie dies
gerichtlich aufgearbeitet werden soll, darum dreht sich die
Kantonsratsdebatte.
Quelle: Tages-Anzeiger 26.11.12
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