Die CS soll der kantonalzürcherischen Beamtenversicherungskasse (BVK) und der kantonalen
Gebäudeversicherung Börsendeals falsch verrechnet haben.
Ermittlungsakten zeigen, wie das System funktionierte. Ein Bericht des Tages-Anzeigers beleuchtet die Praxis der zweitgrössten Schweizer Bank.

Die BVK-Affäre gehört zu den grössten Skandalen der jüngeren Zürcher
Politik- und Wirtschaftsgeschichte. Recherchen des TA zeigen nun, dass
es im Betrugsfall mehr mutmassliche Opfer und Täter gibt, als bislang
bekannt war. Neben der Pensionskasse der Zürcher Kantonsangestellten ist
auch die kantonale Gebäudeversicherungsanstalt (GVZ) um Millionensummen
geschädigt worden. Auch die Grossbank
Credit Suisse
(CSGN
18.41
0.27%)
(CS) scheint weit stärker in die Sache involviert zu sein als
bisher bekannt – durch zahlreiche zumeist ehemalige Mitarbeiter auf der
Täterseite. Bei früheren CS-Angestellten kam es bereits zu
Hausdurchsuchungen; mehrere wurden zwischenzeitlich in Untersuchungshaft
genommen. Die
Staatsanwaltschaft Zürich wirft den Beschuldigten in dieser Weiterung
der BVK-Affäre Betrug, Veruntreuung und ungetreue Geschäftsführung in
mindestens 196 Fällen vor.
Einzelne Bankmitarbeiter haben ihre Taten
gestanden. Das System, mit dem sich die Involvierten laut den
Ermittlern bei den Geldern der Versicherten bedienten, lässt sich in
einem Satz erklären: Die Credit Suisse verrechnete der
BVK und
der GVZ bei Börsengeschäften falsche Kurse. Wollten die kantonalen
Versicherungen Aktien kaufen, mussten sie mehr als den Marktpreis
bezahlen. Verkauften sie, floss zu wenig Geld aufs Konto.

Die
Differenzen zwischen den Kursen machten pro Papier meist wenige Franken
oder Rappen aus, doch
aufgrund grosser Handelsvolumen und über die
Jahre summierte sich der mutmassliche Schaden: Die auf
Wirtschaftsdelikte spezialisierte Zürcher Staatsanwaltschaft III
beziffert ihn in einem ihrer Papiere für die Jahre von 2000 bis 2003 auf
rund 11,5 Millionen Franken.
Die Anweisungen zu den
Börsengeschäften erteilte der Hauptbeschuldigte im ganzen Komplex:
Daniel Gloor, Angestellter der Zürcher Finanzverwaltung und
BVK-Anlagechef. Entweder sind ihm die falschen Abrechnungen der CS nicht
aufgefallen – oder er hat sie geduldet.
All die Transaktionen
liefen über einen seiner
Freunde seit Studienzeiten: Alfred Castelberg.
Gloor und Castelberg sind gegenseitig Götti eines ihrer Kinder. Die
Staatsanwaltschaft wirft Castelberg auch vor, Gloor bei gemeinsamen
Mittagessen 180'000 Franken über den Tisch geschoben zu haben. Für das
BVK-Portfolio war Alfred Castelberg bereits bei der Volksbank zuständig
gewesen, die 1993 in der CS aufging. Bei der Grossbank blieb er bis Ende
2001; dann wechselte Castelberg zur BT + T Asset Management AG (BAM).
Dabei nahm er das BVK-Mandat mit. Die Börsengeschäfte mit den
Pensionsgeldern wurden aber weiterhin über die CS abgewickelt. Meist, in
155 der 196 Fälle, wies Castelberg laut Unterlagen aus dem Verfahren
einen jungen, heute geständigen, Händler an, die Transaktionen zu einem
für die BVK oder die GVZ unvorteilhafteren Kurs einzutragen.
Ein
Beispiel: Ende 2002 wollte Daniel Gloor für die BVK fast vier Millionen
Namenaktien der CS verkaufen. Dies geschah via BAM und CS zu einem
Durchschnittskurs von 29.46 Franken. Alfred Castelberg wies aber einen
Händler der CS an, die Transaktion mit 28.34 Franken pro Aktie gegenüber
der BVK abzurechnen. Die Handelsabteilung der CS vereinnahmte laut der
Staatsanwaltschaft einen Teil des mutmasslich unterschlagenen Geldes als
«Risikoprämie», einen weiteren Teil erhielt die BAM als Retrozession.
Ein grosser Teil landete bei Alfred Castelberg. In jenen Tagen flossen
über 800'000 Franken auf seine Konti. Die Staatsanwaltschaft zweifelt
daran, ob bei dieser Ausschüttung alle Abgaben und Steuern korrekt
bezahlt wurden. Der Pensionskasse soll alleine aus diesem Geschäft ein
Schaden von über 4 Millionen entstanden sein.
Es bleiben viele
Fragen: Warum haben interne und externe Kontrollen den mutmasslichen
Betrug über Jahre nicht bemerkt? Gemäss zwei voneinander unabhängigen
Quellen wurden CS-Kontrolleure von einer Mitarbeiterin auf die
Unregelmässigkeiten aufmerksam gemacht. Doch nichts geschah. Und
wie reagiert die CS heute? «Die Credit Suisse hat in den Untersuchungen
eng kooperiert», sagt Sprecher Marc Dosch. «Sie wird dem Kanton den
damals entstandenen Schaden vollumfänglich ersetzen.» Dazu gehören auch
fünf Prozent Zins. Gemäss Beteiligten sind über die letzten
Details der Zahlungen an die BVK und die GVZ
Verhandlungen im Gang. Auch
bei der BAM ist die Staatsanwaltschaft mit einer sogenannten
Ersatzforderung in Millionenhöhe vorstellig geworden. Daniel Gloor
ist bereits vor Bezirksgericht gestanden. Sein Urteil ist noch
ausstehend. Alfred Castelberg soll in wenigen Wochen vor den Richter
kommen. Gegen weitere ehemalige CS-Mitarbeiter wird ermittelt. Staatsanwalt
Oliver Otto wollte auf TA-Anfrage keine Details aus seiner Untersuchung
preisgeben. Auch einzelne Beschuldigte wollten sich nicht zur Sache
äussern.
Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Quelle Text: Tages-Anzeiger
Fotos: Neues CS-Betriebsgebäude Üetlihof 2 in Zürich - Guntram Rehsche
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